1998-04-27 | Die Welt – Flammende Farben und magische Metaphern

GW. – „Er ist ein Genie der Farbe“, schwärmt Galerist Rafael Vostell (Fine Art, Knesebeckstraße 30). Recht hat er. Sebastian Heiners dichte, farbpralle Phantasiewelten mit dem so impulsiven, fast barocken Pinselduktus ziehen den Betrachter unweigerlich in den Bann. In seinem vier Meter großen programmatischen „Aufbruch“ stürzen die Figuren – wie in der Höllenfahrt – in den rotlodernden, flackernden Bildgrund. Ein leuchtendes, flimmerndes Tableau von geradezu magischer Ausstrahlung. Über 20 Rotnuancen mischte Heiner, der in einem Atelier in Prenzlauer Berg arbeitet, hier auf der Leinwand zusammen. Gesichter haben Sebastian Heiners Figuren nicht, schemenhaft taumeln, wanken, schweben sie durchs zinnoberrote Farbfeld. Sie ziehen sich an, stoßen sich wieder ab. Eine Metapher für „unsere schnelllebige Zeit“, wie der Künstler in Interviews immer wieder betont. „Gerade ´Aufbruch` hat sehr viel mit Berlin zu tun“, erzählt Rafael Vostell. „Es steht für Aktion, Lebendigkeit, auf Gefahr. Aber es ist voller Hoffnung“, findet er. Der „Aufbruch“ wechselte noch vor der Vernissage den Besitzer: Die Uni Würzburg ergatterte das Werk für den Fachbereich Physikalische Chemie. Rot, das steht (in „Reigen“ und „Vögel“) für den 34jährigen Künstler sowohl für Aggression als auch für Liebe und Gefühle. Heiners raumgreifenden, bunten Skulpturen aus Draht, Holz und Gips sind die logische Fortsetzung der Bilder ins Dreidimensionale. Wie langarmige Kraken oder Finger wachsen die Figuren in den Raum. In die „Stürzende Nacht“ muß sich der Betrachter erst langsam hineinsehen. Nach und nach zieht es in die Tiefe. Gewitter, Wind und Regen brauen sich hier in einem intensiven Blauschwarz zusammen. Feine, rote Blitze schießen durch das Dunkel. Die archaische Natur wird hier zur Seelenlandschaft. ­­­