Heute morgen schob ich die schweren, braunen Vorhänge beiseite und sah aus dem Fenster in das gleissende Tageslicht. Die Klimaanlage surrte laut vor sich hin. Ich schaute auf den gegenüberliegenden Wohnblock. Einige Bewohner hatten ihre bunte Wäsche zum trocknen auf rostige Eisenstangen aufgehängt. Ich drehte mich um, nahm meine Plastikflasche und trank lauwarmes Wasser. Ich dachte, heute mache ich eine Pause und bleibe in meinem Hotelzimmer, denn ich war sehr erschöpf, weil die Hitze so groß war und ich viel gearbeitet hatte. Ich dachte an mein neues Bild. In meinem Studio hatte ich eine rötlich irisierende Leinwand vorbereitet, die je nach Blickwinkel unterschiedlich schimmerte. Ich schaltete Musik an. Klassisches Konzert. Ich werde nichts anderes wollen, keinen anderen Zweck verfolgen, als zu sein, der ich bin. In diesem Augenblick bin. An diesem Ort. Sobald ich neue Farbe auf auftragen und sie auf der Leinwand verteile, wird es Farbe sein, die sich durch eine pure Kraft einen Raum erschafft. Alle Farben werden in Schwingung versetzt. Ich will meine Farben in Musik verwandeln. Alle Elemente auf meiner Leinwand will ich sorgsam, Farbton für Farbton, in eine harmonische Komposition zusammenführen. Verlorene Farben werde ich ordnen. Alle Farben werden in einer spannungsgeladenen Beziehung korrespondieren….zu mir sprechen, ja, ein Bild soll wie ein kleines Wunder sein…als könnte ich nicht vorhersehen, daran glauben, dass es schließlich zu einem Ergebnis kommt. Stunden geduldig sein. Heftig geführte Bewegungen, Gesten, beständiges auf und ab gehen, warten, neu beginnen. Ich fragte mich, wann endlich entsteht eine Komposition? Besitzt meine Arbeit Kraft? Was habe ich getan? Wilde Formationen, Strukturen, Variationen, Verdichtungen, Spannungsfelder, meine Augen rollten, mein Blick geleitete über die Leinwand hinweg. In meinem Gehirn wurden Glücksgefühle produziert! Und dennoch kam ich zu dem Schluß, meine Arbeit entzieht sich einem Ergebnis…nur meine Vorstellungskraft läßt das Bild lebendig werden! Lebendig sein! Meine Augen kreisten wieder wild über die Bildfläche. Wann kann ich mich endlich ausruhen? Ich setzte mich auf einen Stuhl. Assoziationen, innere Bilder, Träume, stiegen auf, ich fing an zu suchen, forschte in mich hinein, an was werde ich erinnert? Vielleicht ist es einfach Musik, eine Melodie, ein Rhythmus? Klangfelder? Ich stellte mir die Frage: Ist meine Existenz ein Fest, ein Farbenfeuer, ein Donnern…Ich schob die Vorhänge in meinem kleinen Hotelzimmer beiseite. Der Lärm der Stadt drang zu mir hinauf. Ich hatte einen Traum: Ich stürzte hinab, fiel immer tiefer an den zum trocknen aufgehängten Kleidern der Menschen vorbei, versuchte ihre Gesichter zu schauen, wie erstaunt die Menschen in ihren Wohnungen hockten und dem stürzenden Fremden zulächelten, winkten. Da landetet ich plötzlich in einer leeren Wohnung. Wände bewegten sich. Ich versuchte, das Zimmer zu vermessen, aber die Wände entzogen sich meiner Berührung. In der Mitte der Wohnung hockte eine goldene Katze und schnurrte. Das Fell glänzte wunderschön. Da sprach die Katze und sagte: Es gibt keinen Grund dich zu fürchten, denn das Leben hat keinen Grund. Du musst wieder von vorne anfangen, arbeiten und dich freuen, denn es gibt keinen Grund, es nicht zu tun. Da sprang die goldene Katze aus dem Fenster hinaus und verschwand. Ich fühlte eine angenehme Ruhe in mir aufsteigen. Ich genoss die Stille. Ich glaubte, in einem warmen, lautlos pochenden Herzen, eingeschlossen zu sein. Morgen will ich ein neues Bild malen! Meine Leinwand werde ich mit Goldfarbe grundieren!