1992-12-22 | Delmenhorster Kurier – „Zwischen Traum und Wirklichkeit“

Ausstellung zeigt Werke des Berliner Malers Sebastian Heiner

Delmenhorst (gem). Eine zufällige Begegnung des Delmenhorster Kulturdezernenten Bernd Bramlage mit dem jungen Maler Sebastian Heiner in der Berliner Kunstszene führte letztlich dazu, daß die Werke des Berliners ihren Weg in eine Ausstellung im Foyer des Kleinen Hauses fanden, die am Sonntagabend eröffnet wurde. Jedes einzelne Bild ist unübersehbar durch sein großes Format und bestechend in der reichen Farbigkeit, so daß der Ausstellungsraum durch die Spannung der untereinander konkurrierenden Werke mit Leben erfüllt wird. In seiner Einführungsrede ordnete Karl-Heinz Montag die ausgestellten Werke „Zwischen gegenständlicher Malerei und Abstraktion“ ein. Die „Phantasie-Figuren“ und „märchenhafte Züge“ seien das Ergebnis einer „Auseinandersetzung zwischen Traum und Wirklichkeit“, und böten somit dem Betrachter die Möglichkeit, aus dem Alltag zu entfliehen „ohne den Boden der Realität zu verlieren“.

Die Ölgemälde lassen deutlich sie spontane Arbeitsweise des Künstlers erkennen. Der großzügige Farbauftrag mit breiten Pinselstrichen hinterlässt sichtbare Spuren der Bildentwicklung, zum Teil sind sogar Furchen durch die dicke Farbschicht gezogen. Ein Pinselstrich führt zum nächsten, ohne daß der Maler vorher weiß, was schließlich daraus entsteht. Er läßt sich ganz von seinen unmittelbaren Eingebungen leiten, die nach und nach Form gewinnen, und dabei nur teilweise das Vorausgegangene verdecken. In einigen Gemälden agieren unproportionierte Riesen, in anderen bleibt es bei vage umrissenen Figuren. Zum Beispiel in dem mit „Warten“ betitelten Bild sieht man nur die Konturen von Gestalten, die in aufrechter Haltung in die Ferne zu blicken scheinen und zusammen mit den blassen, fast farblosen Pastelltönen einen unerfüllt harrenden und nahezu geisterhaften Eindruck machen. Die verschiedensten Farbkombinationen ergeben auf unterschiedlichen Wegen lebendige Gemälde, die unablässig in Bewegung bleiben. Dieses Charakterstudium Heiners Werke resultiert nur manchmal aus dem kontrastreichen Zusammenspiel greller Farben, kann aber auch bei einer eher „harmlosen“ Zusammensetzung aus warmen, miteinander harmonisierenden Farben entstehen. Neben den Ölgemälden sich auch einige kleinformatige Bleistift- und Federzeichnungen ausgestellt, in denen jene für Heiners Werke typischen, unproportionierten Figuren vorherrschen, allerdings wesentlich eindeutiger und deutlicher ausgeformt. Auch hier zeigt sich Unruhe durch die nuancierte Helligkeit der Striche und die Darstellung von Handlung, dennoch sind diese Zeichnungen nicht so unmittelbar in der Wirkung wie die farbigen Malereien.

Einen ähnliche, also vergleichsweise ruhigen Ausdruck haben auch die vier Bilder, die Sebastian Heiner mittels Gouache anfertigte, das heißt mit einer Maltechnik, die deckende Wasserfarben mit harzigen Bindemitteln verbindet, und einen aquarellverwandten Charakter erzielt. Diese Werke haben eher experimentelle Züge, denn Farbe und Form zerfließen und lösen sich auf. Sebastian Heiner hat besonders durch die Ölgemälde einen Weg gefunden, der die Spontanität seines Schaffens dokumentiert. Es ist eine lebendige Kunst mit einer fortwährenden Bewegung, die den Betrachter beschäftigt und den Besuch der Ausstellung, die noch bis zum 20 Januar 1993 geöffnet ist, zu einem anregenden Erlebnis machen kann.