1995-02-07 | Berliner Morgenpost – Reiz der Kontraste und Korrespondenzen

Junge Berliner Künstler bei Rafael Vostell zu sehen
von Christina Wendenburg

Der Galerist Rafael Vostell lud 15 junge Berliner Künstler zu einem repräsentativen Stelldichein in seine Galerie. Dabei ließ er bewußt experimentelle Fotografie auf Malere, ungewöhnliche Objekte auf Videoart und fluxistische Installation auf traditionelle Zeichnung prallen. Unvereinbare Kontraste und visuelle Korrespondenzen, interdisziplinäre Dialoge und ein buntes Spektrum verschiedenster Kunstströmungen sind das Ergebnis dieses Wagnisses in Sachen Nachwuchsförderung. Zur irritierenden multimedialen Begrüßung gerät die Videoinstallation von Chus López Vidal, die den Besucher direkt an der Eingangstür empfängt. Der Bildschirm als Zeuge einer mental abwesenden, aber visuell anwesenden Künstlerin, die vom Monitor aus zu ihrem Betrachter spricht. Das filmische Dokument dieser Installation ist wiederum als eigenständige Aktion auf dem Monitor zu sehen. Original oder Fälschung, Götzenbild oder Kunstwerk, das ist die Frage bei Chus López Vidal. Die mehrfach belichteten Fotografien von Jürgen Baumann treiben die optischen Irritationen auf klassische, aber trotzdem subtile Weise voran. Der menschliche Körper wird zum visuellen Abenteuer von undefinierbaren Verdopplungen, Verfremdungen, Abstraktionen und chimärenhaften Adaptionen. Ein philosophisches Konstrukt von Assoziation und Dissoziation ist künstlerisches Konzept der Videoinstallation von Constantin Ciervo, dessen schlagworthaftes Vokabular in Form von selbständigen Untertiteln die Nachrichtenbilder berühmter Persönlichkeiten dominieren. Die Sprache scheint hier letztlich die Wirklichkeit zu übertreffen.

Dagegen erobern die Hartschaumobjekte von Oliver Oefelein als ungewöhnliche Synthese von Objekt und Skulptur aus grellem Grün mit ihren amorphen Formationen den Raum. Die Malerei ist mit Ka Bomhardts aquarellierten Monotypien mit zart schwingenden Lichtvibrationen und Sebastian Heiners impulsiv-abstrakten Kompositionen vertreten sowie Mark Hippers monströs aufgeblähten Kopfmotiven in Kohletechnik. An die Grenzen des guten Geschmacks zielt dagegen die Künstlergruppe Dead Chickens, die wieder einmal mit Geisterbahn und im Zombiemilieu angesiedelten Monstern als Kult-Trophäen eine bedrohte Art von Phantasiewesen arrangieren. Im großen und ganzen findet in der Ausstellung in der Charlottenburger Galerie Fine Art Rafael Vostell kein buntes Kuriositätenkabinett wilder Kunstströmungen statt, sondern eine eher streng voneinander abgegrenzte Präsenz von Individualisten der Berliner Kunstszene.