Sutida: Es ist dunkel. Wir steigen in ein Taxi, um in die nächstgelegene Shoppingmall zu fahren. Ich steige vorne ein und Sebastian sitzt hinten. Wir schweigen, denn der Tag war anstrengend und wir sind erschöpft. Mein Magen macht auf sich aufmerksam. Ich habe Hunger. Ich schaue nach hinten zu Sebastian. Sebastian blickt aus dem Fenster, doch es scheint so, als könnten seine Augen den schnell vorbeirasenden Bildern nicht folgen.
Plötzlich spricht mich der Taxifahrer an: “Woher kommt ihr?”. Ich antworte: “Aus Deutschland”. Daraufhin fragt er, ob wir aus München kommen. Ich verneinte und antworte: “Aus Berlin!”. Und überraschend ergänzt er: “Der Hauptstadt Deutschlands!”. Durch dieses Wissen des Taxifahrers lies ich mich auf das Gespräch ein, trotz meiner Müdigkeit. Denn oftmals bin ich schockiert, dass viele Thais glauben, dass die Hauptstadt Bonn ist. Genauso schockierend, wie meine Erinnerung an einen Dialog mit einem Mönch. Der Dialog begann ähnlich. Ich antwortete: “Deutschland!”. Und der Mönch ergänzte: “Ah, Adolf Hitler!”.
Meine Müdigkeit verschwindet. Mein Interesse an dem Taxifahrer ist geweckt. Der Taxifahrer ist in Bangkok aufgewachsen. Er hat zwei Kinder. Zwei Töchter, die eine studiert Informatik, die andere arbeitet bei “Happy”, ein in Thailand verbreiteter Telefonanbieter. Der Taxifahrer übt zwei Berufe aus. Eigentlich ist er Polizist, doch seit drei Jahren, arbeitet er zusätzlich jeden Abend als Taxifahrer. Auf einmal greift er mit der linken Hand in sein Aufbewahrungsfach und gibt mir zu verstehen, dass ich seine Kamera herausnehmen soll. Hinter uns, vor uns, Autos, rechts eine fünfköpfige Familie auf einem Motorrad. Mitten im Stau schaltet er mit einer Hand seine Digitalkamera an. Der Verkehr ist gewaltig. Er gibt mir die Kamera. Nach und nach klicke ich die Bilder durch. Auf dem kleinen Bildschirm sehe ich zwei Mädchen in rosafarbenen T-Shirts. Beide haben langes schwarzes Haar, die zu einem Zopf gebunden sind. Sie sehen aus wie gewöhnliche Mädchen, jedoch auffallend ist, dass sie nicht lächeln oder fotogen posen. Dadurch wirken sie eher traurig. Jedoch könnte es auch ein Schnappschuss sein. Anschliessend folgt ein Foto von einem Vorgarten. Der Taxifahrer unterbricht und sagt stolz: “Mein Haus, mein Garten!” Und danach erscheint ein Foto von einem Jungen in der gleichen Kleidung. Doch wer ist der Junge? Und wieso tragen die Kinder die selbe Kleidung. Wahrscheinlich, weil sie traditionell passend zu dem Wochentag farblich gekleidet sind. Doch ich irre mich! Der Taxifahrer klärt mich auf.
Wir haben das Ziel erreicht. Wir halten vor der riesigen Shoppingmall. Ich greife nach meinem Portemonnaie, während er nach Stift und Papier sucht. Ich gebe ihm das Geld und er mir einen Zettel: “089 3308744, Tom”, stand auf dem Zettel. Er sagt: “In Notfällen, kannst du mich jederzeit anrufen!”
In einem koreanischen Restaurant geben wir unsere Bestellung auf. Ich schaue in Sebastians müde Augen und frage ihn, ob er die Mädchen auf der Kamera gesehen hat. Sebastian nickt, zu träge und erschöpft, um mit einem einfachen “Ja.” zu antworten. Doch schließlich ergänzt Sebastian seine Antwort mit: “Das waren bestimmt seine Kinder.” Nun kläre ich Sebastian auf: “Das waren drogenabhängige Mädchen, die am gestrigen Tag, vier Straßen entfernt, von unserem Wohnhaus gefasst wurden. Und der Junge ist ebenfalls heroinabhängig und wie so viele, ein Waisenkind. Plötzlich wurden Sebastians Augen groß, er zieht seine Augenbrauen hoch, guckt mich erschreckt an und seine erschöpfte Haltung wurde schlagartig aufrecht.