2008-04-11 | Berliner Zeitung – Steinmeier unter Künstlerin

von Frank Herold

Was macht der hier? Weil ihn das niemand zu fragen wagte, fragt sich Frank-Walter Steinmeier kokett selbst. Der Bundesaußenminister, steht in der Galerieetage 210 zwischen den Arbeiten des chinesischen Künstlers Yongbo Zhao und denen des Deutschen Sebastian Heiner. Ein Schelm, dem zu dieser Konstellation nicht sofort etwas einfiele. Die monatelange deutsch-chinesische Kontroverse um den Besuch des Dalai Lama bei der Kanzlerin etwa. Steinmeiers darauf gemünztes Wort von der „Schaufensterpolitik“, das Merkel meinte, ohne dass ihr Name fiel. Überhaupt: Tibet. Menschenrechte. Olympia. Dazu habe er genug gesagt, befindet aber der Minister. Steinmeier hat gerade einen Schnupperkurs in Sachen Kunst absolviert, sagt sein Gastgeber, der Galerist Werner Tammen. Sechs Galerien im Berliner Zentrum in gut einer Stunde. Die deutsch-chinesische Kunst-Konfrontation an der Friedrichstraße bildet den Abschluss. Der Chinese, in München lebend, bedient sich großzügig aus dem abendländischen Kanon. Der Raub der Sabinerinnen ist zu sehen, die Freiheit auf den Barrikaden, Goyas Albträume und Spuren Velazquez. Der Deutsche – man ahnt es schon – ist vorrangig in Peking zu Hause und zeigt Bilder mit der Farbigkeit und überbordenen Üppigkeit chinesischer Kaisergewänder. Als Kunstkritiker mag Steinmeier aber auch nicht „dilettieren“, wie er sagt. Allein zu Yongbo Zhao entfährt ihm der Kommentar „beängstigend europäisch“. Das trifft es ganz gut. Wie viele Bilder der Minister bei seinem Rundgang tatsächlich wahrnimmt, ist unklar. Ständig stellt sich irgendjemand zwischen ihn und die Kunst. Es scheint, als habe sich die Intelligenzija mit Empathie für die SPD an diesem Abend so ziemlich vollzählig eingefunden. Der Auftrieb ist gewaltig, ein Heimspiel für Steinmeier. Der Minister redet über sein Amt und die Kunst. Ein wenig zu förmlich, doch die Anwesenden hören gern zu. Weil er sagt, der Kultur komme in der Außenpolitik ein immer höherer Stellenwert zu. Die Kunst dringe in Bereiche, die Diplomaten verschlossen bliebe. Die Kultur sei die dritte Säule der Außenpolitik. Es folgt einer dieser Steinmeierschen Seitenhiebe. Diesmal trifft er seinen Amtsvorgänger Joschka Fischer. Auch diesmal fällt kein Name: „Wir haben das schleifen lassen“, sagt er. Doch vor zwei, drei Jahren – sprich: seit er im Amt ist –  „haben wir das neu entdeckt“. Dann holt er weiter aus: Auch für die Berliner Politik, sagt Steinmeier, werde der Faktor Kultur immer wichtiger. Aber den Gedanken bricht er schnell ab. So als wolle er jeden Verdacht vermeiden, es sei an diesem Abend vielleicht um mehr gegangen, als nur um einen Schnupperkurs in Sachen Kunst.